Zehn Minuten Ruhm

Zehn Minuten Ruhm

Der bekannteste Knast in Deutschland ist seit Monaten zum wiederholten Male auf Sendung. „Big Brother“. Ich gebe zu, nebenbei verfolge ich das Geschehen. Es interessiert mich einfach, wie solch eine extreme Situation Menschen verändert. Da wohnt der Porno Klaus mit der Theologiestudentin Katrin zusammen – der Banker Robert mit dem Getränkekistenstapler Daniel. Und warum? Gerne werden von den Insassen solch Floskeln wie: „Ich möchte meine Grenzen kennenlernen“ gebraucht. Oh, ich wüsste da genug andere Möglichkeiten, ohne Kamera und ohne Öffentlichkeit, bei denen man seine Grenzen kennenlernt. Aber mich fragt ja keiner. Ist es nicht eher so, das doch der „Ruhm“, den man damit eventuell erreichen kann, viel reizvoller ist? Aber was ist das für ein „Ruhm“? Und ist er es wert, sich zum Affen der Nation zu machen? Sich mit Leuten auseinanderzusetzen zu müssen, mit denen man im realen Leben nie etwas zu tun haben würde? Sich vor der ganzen Nation vorführen zu lassen und zu blamieren? Und wie lange hält dieser „Ruhm“ an? Was passiert, wenn das Projekt beendet ist? Ist dann für die ehemaligen Teilnehmer auch alles beendet? Was kommt dann? Dank Internet wird es nie zu Ende sein. Denn jeder noch so kleine Beitrag, jedes noch so unwichtige Video wird dort gespeichert. Für immer. Und immer wieder wird es Leute geben, die dies ausgraben. Ob es nun das aufstoßen und unkontrollierte Luftablassen am Esstisch war, die Lästereien über die Mitinsassen oder die heftigen verbalen Auseinandersetzungen, die teilweise selbst nicht mal mehr in der Tageszusammenfassung gezeigt werden können. Immer wird es jemanden geben, der sich daran erinnert und es wieder ans Tageslicht befördert.

Zum größten Teil verfolge ich das Geschehen über diverse Foren im Internet. Ich habe einfach keine Zeit und Lust, mich jeden Abend zur besten Zeit vor den Fernseher zu setzen, um mir Gezanke und Gemobbe anzuschauen. Dann lieber die geballte Zusammenfassung im Netz. Und ich muss sagen, dass das Verhalten dort wahrscheinlich interessanter und aufschlussreicher ist, als die Originalversion im Fernsehen. Im Fernsehen wird beleidigt und gemobbt? Na dann lest mal in den Foren. Was dort abgeht, ist teilweise schon grenzwärtig und hat nichts mehr mit gutem Geschmack zu tun. Eine Runde fremdschämen reicht da nicht mehr aus. Denn wenn der Mensch der Meinung ist, dass die Anonymität einen Mantel um seine Person legt, entfalten sich bei ihm Charakterzüge, die niemand gerne am eigenen Körper erleben möchte. Die User in den Foren begeben sich auf ein niederes Niveau hinab – ein Niveau, das sie bei den Propagandisten im Container so verwerflich finden – und beleidigen und mobben in einer Tour. Ist das korrekt? Oder sehen sie das auf einmal mit ganz anderen Augen? Weil sie selbst diejenigen sind, die dort agieren und angreifen? Alles sicherlich nicht so schlimm und nicht so gemeint. Immer nach dem Motto: Meinungsfreiheit für alle – besonders für mich.

Da werden die Insassen als Miststücke, Schweine…. beschimpft. Warum auch nicht. Im Netz kann man sich doch so ausdrücken und andere – völlig fremde Personen – beleidigen. Beim Benutzer Namen Hasenpuschel (den habe ich jetzt frei erfunden) weiß schließlich niemand, das sich die Jaqueline aus Hundeluft dahinter verbirgt. Aber das ist so nicht ganz richtig. Auch im Netz ist man nicht anonym. Die IP Adresse verrät ohne großen Umweg, wer sich hinter Hasenpuschel verbirgt. Das wissen wahrscheinlich nur die wenigsten. Beschwerden werden losgetreten, Demonstrationen und sofortige Auszüge gefordert. Weil das „Schwein“ im Haus solche Sachen wie „Arschloch“ gesagt hat. Und selber? Ist „Schwein“ eine nette Beschreibung? Möchte man selbst so betitelt werden? Sollte man diesen User deswegen aus dem Forum verbannen? Und dies zur Anzeige bringen? Schließlich beleidigt er doch auch andere Menschen. Oder etwa nicht? Auch nein, ich vergaß, im Netz ist man ja anonym. Und da darf man das. Dabei merken sie nicht, dass sie auch nur Teil der perfekten Inszenierung „Big Brother“ sind und genau wie die Insassen vom großen Bruder gesteuert werden.

In diesem Sinne: Wie viel Dreck liegt denn vor Deiner Tür?

Eure Anna