Nicht alle sind schlecht
Heute lehne ich mich mal ganz weit aus dem Fenster und möchte mit einem Vorurteil und einer Verallgemeinerung aufräumen und das Gegenteil beweisen. Es geht um Alten – und Pflegeheime. Ich weiß, nicht gerade das Thema, das ihr sonst so von mir gewöhnt seid, aber dies hier soll ein kleines Loblied auf die vielen fleißigen Mitarbeiter der Seniorenresidenz sein, die seit anderthalb Jahren meine Omi so liebevoll betreuen und pflegen und eine alte, gebrechliche und von den Ärzten längst abgeschriebene Frau wieder ins Leben zurück geholt haben und ihr jetzt einen richtig lebenswerten und angenehmen Lebensabend bieten.
Ich hole einfach mal ein wenig aus, um auch alles gut erklären zu können.
Die elenden Diskussionen über Pflegenotstand und teilweise katastrophale Bedingungen in den Alten- und Pflegeheimen in Deutschland kennen wir alle. Auch uns (meine Familie) hat es immer abgeschreckt, ein Familienmitglied irgendwann dorthin in Pflege geben zu müssen. Das man im hohen Alter nicht mehr alleine klar kommt und Hilfe benötigt, war jedem bewusst. Aber wir waren immer der Meinung, dass es so schlimm nie werden wird, um diesen Schritt – in solch ein Heim zu gehen – in die Tat umsetzen zu müssen. Immerhin gibt es noch genügend andere Möglichkeiten, die Pflege des entsprechenden Familienmitgliedes zu gewährleisten.
Mein Opi starb vor drei Jahren im gesegneten Alter von 92 Jahren. Bis zu diesem Zeitpunkt haben meine Omi und mein Opi ihr Leben in ihrem Haus, in dem sie fast 65 Jahre gelebt haben, verbracht. Zweimal täglich kam der Pflegedienst und hat Handreichungen gemacht, es gab eine Zugehfrau für den Haushalt und den Einkauf und selbst die Hausärztin kam zum Hausbesuch. All dies konnten wir so organisieren, nur damit meine Großeltern in ihrem gewohnten Umfeld leben konnten. Nach dem Tod meines Opis musste neu organisiert und strukturiert werden. Meine Omi war immer diejenige, die mehr Pflege benötigte. Sie sitzt im Rollstuhl, konnte nicht laufen und somit zum Beispiel auch nicht alleine die Toilette aufsuchen. Zusätzlich leidet sie an Altersdemenz. Ein Zustand, der eine recht umfangreiche Beaufsichtigung verlangt. Da sie in ihrem Haus bleiben wollte, mussten wir nochmals die Betreuung aufstocken. Der Pflegedienst kam nun dreimal am Tag, die Zugehfrau schaute jeden Tag vorbei. Ein Notruf wurde installiert und das Mittagessen wurde geliefert. Was diese Betreuung aber nicht verhindern konnte, war die Einsamkeit. Denn was nützt es, wenn man zwar mehrmals am Tag „Besuch“ bekommt, ansonsten aber mit sich und seinem Kummer alleine ist. Es ging ihr einfach nicht gut. Sie musste mehrmals ins Krankenhaus, die Demenz schritt deutlich voran und wir mussten nun doch die nächste Stufe der Betreuung und Pflege einleiten. Meine Eltern fanden ziemlich schnell eine Wohnung in einem Betreuten Wohnen. Sicherlich kennt ihr das. Man hat sein eigenes Reich, wird aber dort versorgt und verpflegt. Wir sind damals einfach davon ausgegangen, dass es ihr so leichter fallen würde, ihre alte Umgebung zu verlassen. Es ging leider nicht lange gut. Denn auch dort war sie die meiste Zeit alleine. Das Krankenhaus wurde mehr und mehr ihr Zuhause. Und sind wir ehrlich: bei einer 91-jährigen Frau wird dort nicht mehr allzu viel gemacht. Sie gaben sich zwar Mühe, machten uns aber keine Hoffnung, dass sie sich nochmal aufrappeln würde. Durch ihre Demenz lebte sie in einer ganz anderen Welt. Wirkte total abwesend, erkannte niemanden mehr und hatte mit ihrem Leben abgeschlossen. Wochenlang lag sie nur im Bett, denn keiner der Schwestern oder Pfleger hatte Zeit, sie aus diesem zu holen und die erforderlichen Übungen zu machen. So war es halt leichter. Windel drum und gut.
Da das Betreute Wohnen sie in diesem Zustand auch nicht mehr haben wollte, sind wir doch in eine Seniorenresidenz gegangen. Und dies war das Beste, was wir tun konnten. Meine Omi ist wieder das blühende Leben. Wie die diese Frau wieder hochgepäppelt haben, ist sagenhaft. Dort ist sie nie alleine. Immer mit den anderen Bewohnern zusammen und immer beschäftigt. Ob es Spielenachmittage sind, Konzerte oder der Kindergarten schaut vorbei. Immer ist was los. Und Omi mittendrin. Dort wird jeder, der nur halbwegs gerade sitzen kann, aus dem Bett geholt und in den Gemeinschaftsraum gebracht. Niemand sitzt dort alleine. Alle immer in Gruppen.
Seit sie dort ist, kann sie wieder ein paar Schritte laufen, sie trägt keine Windeln mehr, ist für ihr Alter sehr klar im Kopf und spielt sogar recht schwierige Kartenspiele. Ein Krankenhaus hat sie schon ewig nicht mehr von innen gesehen. Ihr neues Zuhause ist ganz in der Nähe von meinen Eltern. Somit können sie sie jeden Tag besuchen oder zu sich holen. All dies war früher nicht möglich. Meine Omi liebt wieder das Leben, weil sie wieder daran teilnehmen kann. Und das haben wir den tollen Mitarbeitern dieser Einrichtung zu verdanken. Denn die arbeiten jeden Tag mit ihr und bieten ihr dadurch diesen schönen Lebensabend.
In diesem Sinne: Tausend Dank an die Mitarbeiter der Seniorenresidenz. Nicht alle Alten- und Pflegeheime sind schlecht. Es gibt auch sehr gute, in denen es sich lohnt zu leben.
Eure Anna