Sehr geehrte Frau von der Leyen,
im Internet habe ich gelesen, dass Sie in Ihrer Position als Arbeitsministerin über die Umbenennung und Umstrukturierung von Hartz IV nachdenken. Da ich diese Diskussion schon seit geraumer Zeit verfolge – man kommt nicht umhin, denn es geistert durch alle nur erdenklichen Medien – möchte ich mich nun auch mal persönlich an Sie wenden, um Ihnen meine Meinung und vor allen Dingen meine Vorschläge dazu näher zu bringen. Auch wenn meine Hoffnung, dass dieser Brief bis zu Ihnen durchgestellt wird, sehr gering ist, möchte ich mir trotzdem meine Gedanken von der Seele schreiben. Ein Versuch ist es alle mal wert. Sehen Sie mich einfach als „Stimme aus dem Volk“.
Zuerst möchte ich Ihnen sagen, dass ich Ihre Arbeit als Familienministerin sehr bewundert habe. Man hat gemerkt, dass sie nicht nur große Reden halten können, sondern auch in der Lage sind, das Gesprochene umzusetzen. Respekt. Das erlebt man leider nicht oft. Man merkt Ihnen an, dass sie „vom Fach“ sind. Sie haben Familie, Sie wissen, wovon Sie reden, da Sie es selbst erleben. Das zahlt sich halt doch aus.
Nun habe ich natürlich auch große Hoffnungen in Ihre Arbeit als Arbeitsministerin. Es wäre wirklich ein guter Ansatz, wenn man das allseits verhasste und zum Schimpfwort verkommene Hartz IV ändert. Schlimm finde ich, dass gerne alle Empfänger dieser Unterstützung über einen Kamm geschoren werden und dies auch noch von öffentlichen Personen forciert wird. Faul, dumm, Schmarotzer. Das ist doch die allgemeine Einschätzung und Aburteilung für Hartz IV Empfänger. Aber so ist es beim besten Willen nicht. Ich kenne viele, denen es so schlecht geht, dass sie auf Hartz IV angewiesen sind. Und die sind nicht faul, auch nicht dumm und schon gar keine Schmarotzer. Denen wird einfach nicht die Möglichkeit gegeben, einer Arbeit nachzugehen.
Wenn ich nur mal von mir ausgehe: ich habe einen Sohn und bin alleinerziehend. Das habe ich mir nicht so ausgesucht, aber manchmal ist es besser, ein Kind alleine, umgeben von der eigenen Familie (Oma und Opa) großzuziehen, als mit dem Vater des Kindes zusammen zu leben und unglücklich zu sein. Das hilft keinem Kind. Mein Sohn ist leider ein kleines Sorgenkind. Der liebe Gott hat es mit ihm nicht ganz so gut gemeint und ihm einige Krankheiten mit auf den Weg gegeben. Unter anderem eine Entwicklungsstörung, die nach viel Förderung in verschiedenen Bereichen verlangt. Der Vater meines Sohnes beteiligt sich am Leben seines Kindes fast ausschließlich in Form der ihm gesetzlich vorgeschriebenen finanziellen Unterstützung.
Durch die fast täglichen Termine mit meinem Sohn bei diversen Therapeuten und Frühförderstellen war es mir nach der Elternzeit nicht mehr möglich, in meinen alten Beruf zurück zu kehren. Ein kleines – noch dazu krankes – Kind und die Arbeitszeiten im Handel ließen sich einfach nicht miteinander vereinbaren. Auf jeden Fall nicht von Arbeitgeberseite her. Da waren auf einmal die vielen Jahre, die ich immer pflichtbewusst zur Arbeit gegangen bin, in denen ich viele Überstunden gemacht habe und viel Freizeit für die Firma geopfert habe, vergessen. All dies zählte nicht mehr, als es Zeit war, nun mir ein wenig entgegen zu kommen. Akute Alzheimer Anfälle machten sich in den Köpfen meiner Vorgesetzten breit. Das Wort „flexible Arbeitszeiten“ stand nur im Arbeitsvertrag. Angewandt konnte es nicht werden. Und so wurde ich ganz einfach ausgetauscht. Durch eine jüngere, flexible und vor allen Dingen billigere Arbeitskraft. Familienfreundlich ist was anderes.
Aus der Not heraus entschied ich mich, in die Selbständigkeit zu wechseln. Für mich damals die einzige Möglichkeit, nicht von Hartz IV leben zu müssen. Ich träumte von Heimarbeit, die ich notfalls auch dann machen konnte, wenn Sohnemann krank ist oder schläft. Büroorganisation und Telefonservice war das, was mir vorschwebte. Was mir angeboten wurde, war ein bunter Strauß voll Betrügereien und Abzockereien. Ich hatte nun inzwischen schon einiges in meinem Leben mitgemacht und erlebt, aber was ich während dieser Zeit an Niederträchtigkeit und Skrupellosigkeit erleben musste, sprengt glaube ich jede Vorstellungskraft. Weil die Zahlungsmoral meiner Kunden teilweise genau so schlecht war wie ihre Absichten und durch zusätzliche private Schicksalsschläge, musste ich mein Leben neu überdenken und ordnen. In diesen Wochen bezog ich dann doch das so verhasste Hartz IV. Und warum? Weil mir einfach keine andere Wahl blieb. Was sollte ich denn machen? Ich habe ein Kind. Ich bin nicht flexibel. Mir gab keiner eine Chance.
Nun habe ich den richtigen Weg gefunden und baue mir eine neue und sichere Zukunft auf. Finanziell unabhängig und mit weinger Sorgen. Als freie Autorin und Texterin findet sich immer eine Aufgabe für mich. Auch hier ist es nicht einfach, ein Bein auf den Boden zu bekommen. Aber aller Anfang ist schwer und ich habe gelernt zu kämpfen.
Was ich eigentlich damit sagen möchte: nicht alle sind gleich. Man kann nicht alle Hartz IV Bezieher über einen Kamm jagen und somit darf die Neue und hoffentlich gerechtere Unterstützung auch nicht für alle gleich ausfallen, sondern muss an die Bedürfnisse der Bezieher angepasst werden. Ich diskutiere schon lange mit meiner Familie und meinen Freunden dieses Thema. Wir kommen alle aus unterschiedlichen Schichten, vom Schüler bis zum Betriebsleiter ist alles vertreten. Aber wir sind uns alle einig, dass das Geld fleißabhängig gezahlt werden muss. Es sollte ein sehr geringes „Grundgehalt“ geben. Das darf aber wirklich nur so gering sein, dass man den sprichwörtlichen „Dreck unter den Fingernägeln“ essen möchte. Geld für Zigaretten, das Bier am Abend oder anderen Luxus muss man sich verdienen. Um Mietschulden zu vermeiden, sollte die Miete gleich vom Amt an den Vermieter überwiesen werden. So lassen sich dort auch besser Betrügereien vermeiden. Finanziell und personell ist dies kein großer Aufwand. Die Kontodaten können bei der Beantragung von Hartz IV gleich mit aufgenommen werden. Der Rest geht per Dauerauftrag.
Und dann kann zuverdient werden. Ich persönlich würde ein Punktesystem einführen. Je mehr Punkte der Bedürftige erreicht, desto höher ist der Zuschuss im nächsten Monat.
- Werden nachweislich Bewerbungen geschrieben? Dann gibt es mehr Geld.
- Werden eigenständig Praktikumsplätze gesucht? Dann gibt es mehr Geld.
- Werden Weiterbildungen gewünscht und wahrgenommen? Dann gibt es mehr Geld.
- Wird aktiv mit dem Arbeitsamt zusammen gearbeitet? Dann gibt es mehr Geld.
Und so kann man die Liste unendlich weit fortsetzen. Zum Beispiel müssen auch kleine Jobs, die angenommen werden, mehr belohnt werden. Lassen Sie den Leuten mehr Geld davon für die eigene Tasche. Das spornt an, gibt Selbstvertrauen.
Im Moment ist es so, dass alle eine feste Summe bekommen. Je nach Personenzahl des Haushaltes. Und wer gut wirtschaftet und keine allzu hohen Ansprüche hat, kann sehr gut davon leben. Aber genau das sind die Leute, über die sich Deutschland aufregt. Nämlich die, die gut davon leben und gar keinen Antrieb haben, was daran zu ändern. Die sich fragen, warum sie früh um 6 Uhr aufstehen sollen, für vielleicht 100 Euro im Monat mehr. Und die 100 Euro gehen womöglich noch für die Fahrtkosten zur Arbeit drauf. Für Bekleidung und Essen. Da hätte ich ehrlich gesagt auch keine Motivation. Wenn die Leute aber aktiv was tun müssen für das Geld, dann hat man sie in Bewegung und es fällt ihnen leichter, dann auch einen Job anzunehmen. Ganz einfache Sache. Wer auf der Couch sitzt, kommt schwerer hoch als jemand, der sich regelmäßig mit dem Thema Arbeit beschäftigt. Auch wenn es nur in Form von Bewerbungen schreiben und den Arbeitsmarkt beobachten ist. Es ist eine Aufgabe – auf ein Ziel hinarbeiten. Nämlich neue Arbeit zu finden. Egal in welcher Form.
Darum: reduzieren Sie das Hartz IV so weit, dass jeder, der dazu in der Lage ist, sich was zuverdienen muss, um davon einigermaßen leben zu können. Natürlich gibt es bei den Beziehern auch Leute, die wirklich nicht arbeiten können. Die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind oder die kranke und behinderte Personen betreuen. Da muss es dann eine andere Regelung geben. Dies ist aber sicherlich der kleinere Teil der Bezieher.
Und noch ein ganz wichtiger Punkt, der zwar teilweise nicht mehr in Ihr Aufgabengebiet fällt, aber doch unbedingt geklärt werden muss. Das Kindergeld darf nicht auf die Unterstützung angerechnet werden. Und wenn dies doch gemacht wird, dann müssen die Erhöhungen auch bei allen Kindern ankommen. Denn genau die, die es unbedingt benötigen, haben nichts davon. Dadurch, dass es mit Hartz IV verrechnet wird, bleibt am Ende nicht mehr Geld übrig. Und auch der hochgesetzte Kinderfreibetrag kommt nur denjenigen zugute, die einen Job haben und genug Steuern bezahlen, um an diese Grenze zu gelangen. Diese Leute haben genug Geld. Bei denen kommt es nicht auf 20 Euro mehr oder weniger im Monat an. Das ganze Thema Kindergeld sollte sowieso anders angegangen werden. Warum wird nicht einfach nur ein Teil des Kindergeldes ausgezahlt und der andere Teil lieber in ein warmes Mittagessen in den Kindergärten und Schulen investiert? Oder in kostenlose Schulbücher? Es gibt so viele Möglichkeiten, wie man allen Kindern, egal welcher Herkunft, zu gleichen Teilen helfen kann. Jede Familie mit geringen finanziellen Mitteln freut sich, wenn die Kinder jeden Tag ein kostenloses warmes Essen bekommen. Und auch die finanziell besser gestellten dürfte das freuen, denn die gehen arbeiten und haben keine Zeit, mittags zu kochen. Wie sieht es zusätzlich mit einer Milch zum Frühstück aus? Das ist durchaus machbar. Dafür muss noch nicht mal an jeder Schule und in jedem Kindergarten eine Küche sein. Die Catering Firmen können das übernehmen. Essen auf Rädern, dass ist die Lösung. Wenn ich mir hier die Firmen anschaue, die dies anbieten, dann geht das bei 2 Euro pro Portion los. Wenn man gut kalkuliert, kann man mit 3 Euro pro Tag und Kind ein sehr gesundes und vor allen Dingen abwechslungsreiches Essen zusammenstellen. Gehen wir von 20 Tagen pro Monat aus, die in den Einrichtungen verbracht werden und wo das Essen dort eingenommen wird, sind das 60 Euro pro Monat und Kind. Und um auch gleich den Wettbewerb der Firmen, die dies liefern zu unterbinden und um Dumpingpreisen und schlechter Qualität vorzubeugen, sollte ein Festbetrag gezahlt werden. Den Zuschlag sollte die Firma bekommen, die für diesen Preis das beste Essen liefern kann. Die Qualität kann regelmäßig vom Gesundheitsamt überprüft werden. Diese kontrollieren eh regelmäßig die Firmen auf Sauberkeit und Qualität der Speisen und Getränke, da kann dies mit überprüft werden. Es entstehen also auch hier keine unüberschaubaren weiteren Kosten. Ganz im Gegenteil. Es werden sogar noch neue Arbeitsplätze bei den Catering Firmen geschaffen. Vielleicht für ehemalige Hartz IV Empfänger?
Sie sehen, ich habe wirklich sehr viele Ideen, so wie Sie sicherlich auch. Und wenn die Bürokratie in Deutschland nicht so eine wahnsinnig große Entwicklungsbremse wäre, wenn nicht alles erst Monate lang von Ausschüssen und Gremien geprüft werden müsste, dann könnten Erleichterungen und Verbesserungen für einen großen Teil der Bevölkerung schnell herbeigeführt werden. Aber wie sagt man so schön: wenn das Wörtchen wenn nicht wäre….
In diesem Sinne: ich wünsche Ihnen ein glückliches Händchen bei Ihren Entscheidungen. Mögen sie Gerecht und Fair für alle ausfallen. Über eine Antwort würde ich mich selbstverständlich sehr freuen. Und wenn Sie mal jemanden brauchen, der Ihnen einen Bericht oder Artikel schreibt, der sich mit solchen Themen auseinandersetzt, oder einfach nur noch mehr von meinen Ideen wissen möchten, dann melden Sie sich bei mir. Ich stehe Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung und helfe.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Anna Miller